Nur ein paar Nächte von Fabian Neidhardt

Worum geht’s?

Ben ist Mitte dreißig, er zieht allein seine 12-jährige Tochter Mia groß und: er hat sich in seinem Leben eingerichtet. Was aber, wenn sich plötzlich alles verändert? Denn: Bens Vater steht vor der Tür und muss für ein paar Nächte bei ihm unterkommen, weil er seine Frau, Bens Mutter, betrogen hat. Außerdem bringt die Polizei Mia nach Hause, die auf eigene Faust nach Hamburg reisen wollte. Um ihre Mutter zu suchen. Um endlich Antworten zu finden.
Was bedeutet es, als Frau keine Mutter werden zu wollen?
Auf der anderen Seite – und für Mia nicht greifbar: Orna. Bens große Liebe und Mias Mama. Die Beziehung zu Ben war gerade beendet, als Orna den Test macht. Sie: wollte nie Kinder. Er: konnte keine bekommen, eigentlich. Was für Ben eine einmalige Chance war, Vater zu werden, war für Orna die Idee von einem Leben, für das sie sich nie entschieden hat. Die beiden machen einen Deal: Orna behält das Baby, bringt es zur Welt; Ben wird das Kind großziehen. So war es seit Beginn der Schwangerschaft vereinbart.
Ein rauschender Text über die Beschaffenheit von Beziehungen, über Gefühle für- und zueinander, über Familie
Mit dem eigenen Vater im Haus muss Ben sich nun dagegen wehren, automatisch wieder Kind zu werden. Und er muss gleichzeitig selbst der beste Vater sein, weil seine Tochter gerade nicht da, nicht bei ihm, sein will. Ein Wochenende bleibt Zeit, um Generationen an Unausgesprochenem zu artikulieren, um Fehler zu akzeptieren, neue zu machen und sich zu entschuldigen. Sich einzugestehen, dass es kein Versagen auf ganzer Linie ist, zuerst das verletzte Kind in sich selbst heilen zu müssen, um sich besser um das eigene kümmern zu können.

Wie gefällt es mir?

Schön verwoben mit fließenden Übergängen zwischen Gegenwart und Vergangenheit wird die Geschichte als außenstehender Erzähler erzählt. Protagonist ist Ben, der plötzlich zwischen dem verletzten Sohn in ihm und seiner eigenen Rolle als Vater hin- und hergerissen wird. Bens Verhältnis zu seinem eigenen Vater ist nicht sonderlich gut. Ohne seine Mutter merkt er, dass die Kommunikation zwischen seinem Vater und ihm fast gar nicht funktioniert, besonders nicht im Hinblick auf schwierige Themen. Als alleinerziehender Vater weiß Ben, wie schwer es ist, ein Kind großzuziehen und vor allem zu akzeptieren, wenn dieses Kind, Mia, selbstständiger wird, Antworten sucht und seinen eigenen Kopf hat. Die Geschichte mit Orna, aus deren Endresultat Mia und Ben alleinerziehend ist, hat er in großen Teilen seiner Familie und Mia komplett verschwiegen. Themen, die in der Gegenwart behandelt werden, sind beispielsweise: Vater-Sohn-Verhältnis, Vater-Tochter-Verhältnis, Alleinerziehung, fehlende Kommunikation, Betrug und Partnerschaft..
Der Leser erfährt nach und nach in nicht chronologischer Reihenfolge, wie Ben Orna kennengelernt hat, sie unerwartet schwanger wurde, aber niemals Mutter werden wollte. Hier spielen Themen wie Eltern werden, Unfruchtbarkeit, Rollenverständnis und Druck der Gesellschaft eine große Rolle.
Die Elemente zwischen heute und früher sind fließend und natürlich verwoben, so, als würde man sich eben gerade an die ein oder andere Situation erinnern. Alle Themen sind realistisch eingebunden und die entsprechenden Handlungen der Figuren absolut realistisch und nachvollziehbar. Ich fand die Geschichte wenig vorhersehbar und wurde teilweise mit einigen Wendungen überrascht.
Der Schreibstil des Autors ist ein wenig anders als der aus den Büchern, die ich normalerweise lese: Ein wenig einfacher und es erinnert an eine Formulierung von eigenen Gedanken und Erinnerungen. Trotzdem lässt sich das Buch sehr gut lesen und ist flüssig geschrieben. Den großen Knall fand ich besonders gut und konnte die „schlechte Stimmung hier“, wie Mia es ausdrückt, sehr gut fühlen.

Zitat

„Ben, nur weil du sie liebst und ihr nichts verbietest und nicht streng bist, heißt das nicht, dass sie dich nicht irgendwann scheiße finden wird.“ Ben zuckt mir den Schultern. Sieht seinen Vater und sich, vor einem halben Leben, wie sie sich anschreien, weil Ben irgendetwas nicht durfte. (…) Er hat sich damals geschworen, anders zu sein. (Nur ein paar Nächte von Fabian Neidhardt)

Auf den Punkt gebracht

Eine interessante Geschichte über (Generationen-)Konflikte, Elternschaft, Beziehungen unterschiedlicher Art, gesellschaftlicher Druck und schlechte Kommunikation innerhalb einer Familie. Dem Leser wird das ein oder andere Mal die Augen geöffnet. Die Charaktere sind sehr detailreich und ihre Reaktionen und Handlungen nachvollziehbar, sie wirken absolut aus dem Leben genommen. Sehr empfehlenswert!

Daten

Titel: Nur ein paar Nächte
Autor: Fabian Neidhardt
Verlag: Haymon Verlag
Seiten: 248 Seiten (HC)
Preis: € 22,90 (HC)

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