Den Mund voller ungesagter Dinge von Anne Freytag

Worum geht’s?

Als ihr Vater plötzlich den Umzug von Hamburg nach München zu der neuen Lebensgefährtin und ihren Kindern verkündet, fällt Sophie aus allen Wolken. Sie will nicht umziehen, sie will keine neue Familie. In München angekommen trifft sie auf das Nachbarsmädchen Alex und zum ersten Mal erfährt Sophie, was wahre Freundschaft ist, hatte sie doch bisher nur ihren besten Freund an ihrer Seite. Alex hat ihren Freund, ihr Vater seine neue Freundin und der beste Freund seine Freundin in Frankreich. Doch Sophie selbst war noch nie verliebt, auch wenn sie nicht unerfahren ist, doch beim Flaschendrehen ändert sich plötzlich alles, als es zum Kuss kommt, der alles verändert.

Wie gefällt es mir?

Sophie ist als Ich-Erzählerin eine Teenagerin, die kurz vor ihren Abiturprüfungen steht und umziehen muss. Konsequent findet sie alles und jeden doof, was als Teenager ihr gutes Recht ist, wie ich finde. Jedoch steckt sie alle Welt gleich in Schubladen und quillt vor Vorurteilen beinahe über. Sie macht sich viele Gedanken zu sich selbst und hat nicht so wirklich jemanden, dem sie sich anvertrauen könnte, da sie außer ihrem besten Freund, der in Frankreich ist, keine Freunde hat. Aus diesem Grund weiß sie nicht, wie man Freunde findet. Diese Ecken und Kanten, die Sophie hat, machen sie sehr greifbar, was mir mehr als gut gefällt. Sehr positiv finde ich ihre vielen Gedanken, denn sie wünscht, sie könnte sich anders verhalten was Freundschaft und Jungs und ihre Vorurteile angeht, sie wünscht, sie wäre jemand anders. Wie auch in Hamburg fühlt sie sich fremd, seltsam und nicht so richtig zugehörig, doch mit Alex als Freundin geht es langsam bergauf. Ich denke, auch das ist typisch Teenager, seinen Platz in der Welt finden zu wollen. Ihr seht, die Protagonistin ist sehr vielschichtig, absolut nicht perfekt, was sie sehr real und greifbar für den Leser macht. Top!
Alex führt in Sophies Augen das perfekte Leben, aber je besser man sie kennen lernt, desto deutlicher wird, dass hier nur der äußere Schein bewahrt wird: Freund, Familie, Haus, Pool. Doch Alex‘ Familie ist bei Weitem nicht so perfekt, wie es den Anschein hat, denn auch sie hat Probleme, Sorgen, Ängste. Dabei scheint sie erwachsener als Sophie zu sein, bleibt aber noch Teenager.
Die ganze Geschichte thematisiert verschiedenste Bereiche wie Patchwork-Familien, Freundschaft oder soziales Umfeld. Der Autorin ist dieses normale Umfeld mit sämtlichen Facetten, wie Hoffnung, Glück, Verzweiflung, Unsicherheit, Angst, mehr als gut gelungen, denn diese Geschichte kann und passiert wahrlich jedem. Dem einen mehr, dem anderen weniger. Ich habe schon einige Geschichten gelesen, die ich „aus dem Leben gegriffen“ fand, aber dies ist bisher das Einzige, bei dem die Figuren keine allzu dramatische Vergangenheit haben, die sie auf ihre Weise besonders machen. Denn hier haben die Figuren alltägliche Probleme, somit wird sich wirklich jeder Leser in dieser Geschichte auf die ein oder andere Art wieder entdecken.
Der Schreibstil von Anne Freytag ist außerordentlich poetisch und einfach wunderschön. Dadurch hat sie es geschafft, dass die vielen Gedankengänge der Protagonistin keineswegs als langweilig empfunden werden. Der Spannungsbogen baut sich ganz sanft auf, reißt den Leser aber auch durch unvorhersehbare Handlungsstränge durchweg mit.

Zitat

Ach, man kann nicht erklären, warum man etwas liebt. Man tut es einfach. (Den Mund voller ungesagter Dinge von Anne Freytag)

Auf den Punkt gebracht

Eine wunderschön poetisch verfasste Geschichte mit einem außerordentlich sanftem Spannungsbogen, alltäglichen Problemen und Sorgen und einer sehr vielschichtigen Protagonistin. Grandios!

Daten

Titel: Den Mund voller ungesagter Dinge
Autor: Anne Freytag
Verlag: Heyne Verlag
Seiten: 400 Seiten (TB)
Preis: € 14,99 (TB)

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